Pressetext zur Ausstellung Inner Disorder von Micol Assaël in der Galerie Johann König, 2009


Inner Disorder - Micol Assaël

Die italienische Künstlerin Micol Assaël zeigt in ihrer zweiten Einzelaus-
stellung bei Johann König, Berlin eine Serie von sieben eindrucksvollen Glasvitrinen, bestückt mit 250 kleinformatigen weißen Zeichnungen aus der Reihe „Inner Disorder" (1999 – 2001) und eine groß angelegte schwarze Wandmalerei. Die Präsentation in den auf starken Aluminium-
rohren lagernden Vitrinen aus Sicherheitsglas unterstreicht den Minimalismus der fragilen Papierarbeiten und lässt die Anordnung wie die Dokumentation einer methodisch angelegten Untersuchung erscheinen.

Die Zeichnungen begann Micol Assaël als Studie über die Beziehung von Luft und Licht während eines Aufenthalts in der wüstenartigen Landschaft Islands. Nach ihrer Rückkehr nach Rom machte sie es sich zur Gewohnheit, jeden Tag mit der Anfertigung einer weißen Tuschzeichnung zu beginnen, anstatt wie bisher ihre Träume zu notieren. Wie Tagebuchaufzeichnungen bezeugen die Zeichnungen die konstanten Veränderungen innerhalb der Zeit.

Die ästhetische Leichtigkeit der Papierarbeiten steht nur scheinbar in Kontrast zu Micol Assaëls meist mit schwerer Maschinentechnik inszenierten Rauminstallationen, die oft eine physische Herausforderung an das Publikum darstellen. 2007 zeigte sie bei Johann König, Berlin einen begehbaren Container, in welchem sie ausrangierte Motoren auf niedrigen Frequenzen heiß laufen ließ, so dass sich der Raum mit Rauch und Benzingeruch füllte. Das Brummen und Surren der startenden und stoppenden Motoren fügte sich zu Geräuschharmonien zusammen, die mit Betreten des Containers als eine Art materialisierter Sound körperlich spürbar wurden.

Assaëls Versuchsanordnungen sind streng nach den Gesetzmäßigkeiten der Physik, der Mechanik und der Logik konstruiert. Zugleich reflektiert die Künstlerin philosophische Konzepte, die in der Verknüpfung von Natur- und Geisteswissenschaft die Suche nach einer „physikalischen Heimat für das menschliche Bewusstsein" unternehmen. Unter diesem Aspekt betrachtet erscheinen die amöbenartig gezeichneten Formen der Serie „Inner Disorder" wie energiegeladene Partikel in ständiger Bewegung. Entstanden in einem halbbewussten Zustand zwischen Träumen und Wachen, dokumentieren sie gleichsam empirisch die Bewegungen des Geistes. Der Sprung von „mikro" zu „makro" – von der zarten Zeichnung zur großflächigen Wandmalerei – übersetzt das Verfahren in eine quasi analytische Darstellungsform.

Micol Assaël (*1979) lebt und arbeitet in Rom und Moskau. Die Galerie Zero in Mailand zeigt derzeit ebenfalls Arbeiten der Serie „Inner Disorder" (1999 – 2001). Die Wiener Secession widmet der Künstlerin vom 10. September bis 8. November 2009 eine Einzelausstellung sowie das Museion im Jahr 2010. 2009 zeigten bereits das Palais de Tokyo in Paris und die Kunsthalle Fridericianum in Kassel sowie 2007 die Kunsthalle Basel Arbeiten von Micol Assaël in Einzelpräsentationen.

Isabel Hempel


Courtesy Johann König, Berlin
Micol Assaël, Krasnaja Oktobrja '09: Courtesy Johann König, Berlin